Kuba-Krise: Als die Welt vor einem Atomkrieg stand - [GEO]

2022-10-15 03:34:06 By : Ms. Candice Mao

Wenn vom Kalten Krieg die Rede ist, taucht fast schon automatisch das Stichwort Kuba-Krise auf. Die Konfrontation zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion im Oktober 1962 war an Dramatik kaum zu überbieten – und die Welt auf dem Weg zum Atomkrieg. Sie gilt als die gefährlichste Krise im Verlauf des Kalten Krieges.

Was heute beim Blick auf den Rüstungsstand der Supermächte zur Normalität geworden ist, hat vor gut 60 Jahren zur Kuba-Krise geführt: Interkontinentalraketen. Denn als im Jahr 1957 die weltweit erste dieser Atomraketen von der Sowjetunion präsentiert wurde, war der Schreck im Westen groß.

Bisher konnten die Militärs sowohl im Westen als auch im Osten davon ausgehen, dass im Fall eines Raketenangriffs entsprechende Vorwarnzeiten möglich waren. Bei einer Reichweite von bis zu 4500 Kilometern der russischen SS4 und SS5-Raketen war das nun Geschichte.

Die zwangsläufige Folge: Die eigenen Raketen mussten näher an möglichen Zielen aufgestellt werden. Das Wettrüsten zwischen den USA als westlicher Schutzmacht und der UdSSR hatte begonnen und lief unaufhaltsam Zug um Zug.

Während die Sowjetunion 1958 in der damaligen DDR atomare Mittelstreckenraketen stationierte, positionierte die USA sich mit Zustimmung ihrer NATO-Verbündeten als Reaktion darauf  1959 in England, Italien und der Türkei mit ihren Mittelstreckenraketen.

Parallel dazu arbeiteten beide Supermächte an der Weiterentwicklung von Interkontinentalraketen. Schon Anfang der 1960er-Jahre hätten sich die USA und die Sowjetunion problemlos aus ihren eigenen Ländern heraus mit Nuklearraketen angreifen können.

Die grundsätzliche Idee dahinter und ein wesentlicher Antrieb des Kalten Krieges: Wenn der Gegner so überraschend und massiv mit einem atomaren Erstschlag angegriffen wird, dass ihm keine Zeit zum Reagieren bleibt, ist das Land existentiell zerstört – und der Angreifer hat gewonnen. Das nun Anfang 1959 der Rebell Fidel Castro die USA-freundliche Regierung auf Kuba stürzt, mischt die Karten im Kalten Krieg völlig überraschend komplett neu.

Fidel Castro ist Kommunist. Die US-Regierung unter Präsident Eisenhower lehnt die Unterstützung ab. Das ist die Gelegenheit für die Sowjetunion, im Mai 1960 diplomatische Beziehungen zu Kuba aufzunehmen. Dass Fidel Castro den US-Besitz auf Kuba kurzum verstaatlicht, trägt nicht gerade zur Entspannung der Situation bei. Die USA verhängen ein Embargo gegen Kuba. Die prompte Reaktion der UdSSR: wirtschaftliche und militärische Unterstützung für Kuba.

Dass am 20. Januar 1961 mit John F. Kennedy ein neuer Präsident ins Weiße Haus einzieht, bringt Bewegung in die Sache. Aber nur in eine Richtung, die Richtung heißt Kuba und das Ziel "Schweinebucht". Mit Hilfe von rund 1300 ins Exil geflüchteten Kubanern soll mit verdeckter Unterstützung des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA eine Gegenrevolution auf Kuba gestartet und Fidel Castro gestürzt werden.

Die Invasion am 17. April 1961 scheitert unter anderem wegen gestoppter Luftangriffe seitens der USA auf kubanische Militärflughäfen noch während der Invasion. Aufgrund der dadurch weiterbestehenden militärischen Überlegenheit in der Luft seitens Kuba werden die Invasionstruppen aufgerieben. John F. Kennedy leugnet die Verwicklung der USA in die Schweinebucht-Invasion zunächst  - übernimmt am 21. April 1961 aber die volle Verantwortung.

Kuba rückt daraufhin noch näher heran an die UDSSR. Auf dem Seeweg setzt ein reger Warentransport ein, doch an Bord der Schiffe sind nicht nur eingelegte Gurken, Mehl, Benzin oder Weizen. Ab dem 10. Juli 1962 bringt die Sowjetunion mit insgesamt 183 Schiffsfahrten mehr als 42.000 Soldaten und 230.000 Tonnen militärische Ausrüstung nach Kuba.

Damit hat die UDSSR ihren Fuß im Vorhof der USA. Dass damit auch die Stationierung von Raketen verbunden ist, zeigen Luftaufnahmen durch die US-amerikanischen U2-Aufklärungsflugzeuge. Am 15. Oktober 1962 beweisen die Fotos: Die UDSSR baut auf Kuba Abschussrampen für Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite von bis zu 4500 Kilometern. Würden diese Raketen von dort abgefeuert, bliebe in den USA noch eine Vorwarnzeit von nur gut fünf Minuten. Der Schreck im Weißen Haus sitzt tief.

Kennedy informiert sofort das US-Militär über die Entdeckung der Aktivitäten, aber nicht die Öffentlichkeit – und auch nicht die Sowjetunion.  Bereits am 16.Oktober empfiehlt der damalige US-Verteidigungsminister Robert McNamara eine Seeblockade Kubas.

Als am 18. Oktober der sowjetische Außenminister Andrej Gromyko zu seinem bereits länger geplanten Besuch bei John F. Kennedy ist, spricht der US-Präsident das Thema Kuba nicht an und verspricht sich davon taktische Vorteile.

Dann geht es im Oktober 1962 plötzlich Schlag auf Schlag:

Während die diplomatischen Bemühungen zur Abwendung der Kuba-Krise anfangen zu laufen, spitzt sich die Lage rund um die Insel zu. Am 27. Oktober 1962 läuft ein sowjetischer Frachter auf die Schiffe der Seeblockade zu. Er hat vier U-Boote als Begleitschutz. Die US-Marine greift mit Übungswasserbomben mit reduzierter Sprengladung an und will die U-Boote so zum Auftauchen zwingen.

Was die Besatzung des US-Zerstörers nicht weiß: Die U-Boote haben  Torpedos mit nuklearen Sprengköpfen an Bord. Während Unterwasser die Besatzungen der U-Boote überlegen, ob sie die US-Flotte mit Nukleartorpedos angreifen, wirft die US-Marine Überwasser erneut Wasserbomben ab. Die Kapitäne an Bord der sowjetischen U-Boote stehen unter Druck. Die Mehrzahl drängt darauf, sofort zu feuern – was mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Eskalation geführt hätte.

Doch Wasili Archipow, Stabschef der 69. U-Boot-Brigade der Nordmeerflotte, bewahrt einen kühlen Kopf. Er befiehlt, aufzutauchen, sich mit den Amerikanern auszutauschen und verhindert so einen möglichen Krieg. Nachdem der Beschuss eingestellt wird, drehen die vier sowjetischen U-Boote ab und verlassen die kubanischen Gewässer.

Die Entscheidung des sowjetischen Marineoffiziers hat zunächst Schlimmeres verhindert – aber die Krise spitzt sich weiter zu:

Am 28. Oktober 1962 ist die Kuba-Krise offiziell beigelegt. Die Welt ist um Haaresbreite einem Atomkrieg entgangen. Die USA und die Sowjetunion beschließen verschiedene Maßnahmen, damit eine solche Eskalation nicht noch einmal passiert. Unter anderem wird in beiden Supermächten der nukleare Sicherheitscode eingeführt, damit nur der Präsident über den Einsatz von Atomwaffen entscheidet und nicht das Militär. Außerdem wird der sogenannte "Heiße Draht" eingerichtet – eine direkte und schnelle Verbindung zwischen den Präsidenten der beiden Supermächte. Bis jetzt hat es funktioniert.

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